Man muss das Eisen schmieden solange es heiß ist Einem Langenweddinger in die Schmiede geschaut

(J.H.) Wälzt man in der Geschichte des in diesem Jahr genau 1340 Jahre alten Dorfes, so erfährt der interessierte Historiker, dass Schmiedemeister Heinrich Helmecke an der Wanzleber Straße in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts eine Schmiede errichtete. Urenkel und direkter Nachfahre des Schmied`s ist Dr. Karl Heinz Daehre. Heimatverbunden und weltoffen, handwerklich begabt und heute eine der ersten Männer im Land aber auch werteverbunden und bodenständig, so kann man den Nachfahren von Heinrich Helmke und Sohn von Wilhelm Daehre Senior beschreiben. Dies gibt aber nur ganz unvollständig die Persönlichkeit eines Langenweddingers wieder, der heute erfolgreich Landesgeschichte schreibt, für alle und jeden ein offenes Ohr, gepaart mit dem untrüglichen Instinkt für`s Wesentliche hat. Man muss den Doktor der Chemie und einstigen Bau- und Verkehrsminister und heutigen Minister für Landesentwicklung und Verkehr nicht unbedingt lange kennen, um Vertrauen zu schöpfen. Nicht immer ganz einfach bei einer zumeist Siebzigstundenwoche ist es, Karl Heinz Daehre privat anzutreffen. Ehefrau Elga, eine in den letzten Kriegsmonaten in Königsberg geborene Langenweddinger Pflanze, Tochter Heike und die zwei Enkelchen des Ministers freuen sich über jede freie Minute, die ihnen der Hausherr widmen kann. Dabei gibt es auch im nett gestalteten Anwesen der Daehres jede Menge zu tun und sehr viel Wert legt der begeisterte Skatspieler mit großartiger Unterstützung seiner Frau darauf, dass Haus, Hof und Garten in Ordnung gehalten werden. Seine große Liebe aber gilt dem Handwerk seines Vaters, Großvaters und Urgroßvaters, dem Schmieden. Ganz privat, so der sympathische Mittsechziger, der wie seine Väter und Vorväter Schmied werden wollte, nicht durfte, aber das Erbe seiner Vorfahren pflegt, erhält und übt, steht er noch heute gern hinter`m Schmiedefeuer und Amboss. So hat der Tüftler mit Bruder Wilhelm und seinem Freund Reiner Riegg die Schmiede aus den Neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts wieder betriebsfähig gemacht. Holzpflasterfußboden, eine Ständerbohrmaschine, Federhammer und natürlich Feuer und Amboss wurden nicht verschrottet sondern werden ebenso wie die alte Transmission für die Maschinen der Schmiede erhalten. Noch heute dienen die Maschinen aus den Anfängen des Industriezeitalters so manches Mal den Schülern der Langenweddinger Grundschule als wertvolles, heimatgeschichtliches Anschauungsmaterial, wenn die Arbeitsbedingungen auf dem Lande im Unterrichtsstoff behandelt werden. Spannend ist es für die Kinder natürlich, erzählt Karl Heinz Daehre, wenn sie selbst einmal am Schmiedefeuer stehen dürfen und eigenhändig erleben, wenn das Eisen geschmiedet wird. Manch`heißes Eisen muss eben geschmiedet werden, solange es heiß ist, meint der Minister, etwas hintergründig lächelnd und sicherlich in Gedanken Bezug nehmend auf so manch „heißes Eisen“ in der derzeitigen politischen Landschaft, um aber gleich wieder beim heißen Eisen zu landen. Die besten Ideen kommen mir am Schmiedefeuer und wenn ich mal nichts zu lachen hatte, mussten Amboss und Hammer herhalten, verrät der „Schmiedeminister“ hinter vorgehaltener Hand. Unter seinen geschickten Hammerschlägen entsteht vor unseren Augen aus einem einfachen Stück Rundstahl in Minutenschnelle ein Ringauge, welches bei Aufhängungen wie beispielsweise an Kinderschaukeln Verwendung findet. Aber auch Feuerhaken, Türbeschläge oder Ochsenhufe kann der Hobbyschmied problemlos herstellen. Natürlich taucht jetzt sofort die Frage auf: Ochsenhufe? Aber Sie haben richtig gelesen. In der Börde wurden nach dem Ende des zweiten Weltkriegs für kurze Zeit Ochsen beschlagen. Für die gut ausgebaute Straßen waren die natürlichen Ochsenhufe einfach zu weich. Da aber diese Tiere zumeist zur Feldarbeit und zur Transportarbeit eingesetzt wurden, die sowjetischen Besatzungstruppen aber alle Pferde requiriert hatten, war es zwingend notwendig, die Ochsen der Bauern zu beschlagen, erzählt der heimatgeschichtlich interessierte Langenweddinger. In diesen Zeiten mussten mehr als einhundert Tiere in der helmek`schen Schmiede behuft werden, was eine nicht ganz so einfache Sache war, wusste er aus der Erzählung seiner Eltern noch zu berichten. Waren doch die Ochsen kräftige Tiere und nur in einem eigens dafür angefertigtes Gestell zu bändigen, wenn es ihnen „ an die Hufe“ ging. Noch vieles wäre aus der alten Dorfschmiede an der Wanzleber Straße in Langenweddingen zu berichten und noch mehr über eine Familie, die sich seit mehr als vierzig Jahren gemeinsam um den Erhalt alter handwerklicher Traditionen und elterlichen Gutes kümmert. All dies trotz angespanntester zeitlicher Situation der Daehres und immer vom Gedanken der Verantwortung beherrscht, dass auch der Nachwelt Erhaltenswertes erhalten und Erlebenswertes vermittelt werden muss. Und geht man sehenden Auges durch die Dörfer in der uralten Kulturlandschaft Börde, erlebt man Ähnliches vielerorts und das ist gut so!


Mit Augenmaß muss nicht nur das Eisen bearbeitet werden, kommentiert Karl Heinz Daehre seine Schmiedekünste. „Und außerdem: Ein Amboss führt eine ganze Menge Stress ab!“, scherzt der Langenweddinger. Foto: J.H.